Was ist Sexualisierte Gewalt?
Sexualisierte Gewalt umfasst alle sexuellen Handlungen, die einem Kind oder einer*einem Erwachsenen aufgedrängt oder aufgezwungen werden.
Im 13. Abschnitt StGB ist diese Gewaltform als "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" definiert. Dazu zählen u.a.
§ 174 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
§ 176 Sexueller Missbrauch von Kindern
§ 177 Sexueller Übergriff / sexuelle Nötigung / Vergewaltigung
§ 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen
Was umfasst sexualisierte Gewalt?
Sexualisierte Gewalt ist eine Form von Gewalt, bei der es in erster Linie um Machtmissbrauch geht. Sie kann verbal und/oder körperlicher Art sein und wird gegen den Willen der Betroffenen vollzogen. Der Begriff „sexualisiert“ bedeutet, dass sexuelle Handlungen dazu instrumentalisiert werden, Gewalt und Macht auszuüben. Sexualisierte Gewalt kann im Rahmen von Partner*innenschaftsgewalt vorkommen.
Zu sexualisierter Gewalt zählen z.B.
- anzügliche Blicke
- herabwürdigende Kommentare
- unangenehme Berührungen
- Briefe, E-Mails oder Nachrichten mit sexuellem Inhalt
- exhibitionistische Handlungen
- sexuelle Nötigung
- Vergewaltigung
Auch wenn nicht alle diese Formen eine strafrechtliche Bedeutung haben, können Sie Betroffene in ihrem Selbstwertgefühl und in ihrer Würde verletzen.
Sexualisierte Gewalt kann digital stattfinden. Hierzu zählen etwa das Versenden von Nacktbildern gegen den Willen der Betroffenen per Whatsapp, Facebook etc., das „Cybergrooming“ (Ansprechen von Kindern und Jugendlichen im Internet, um sexualisierte Gewalt online oder offline anzubahnen) oder die „Hatespeech“ (Hassrede), z.B. mit sexualisiertem Inhalt wie Vergewaltigungsdrohungen.
Zum Spektrum sexualisierter Gewalt gehören zudem sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und sexualisierte Gewalt gegen Kinder – darunter die sogenannte Kinderpornographie. Die sexualisierte Gewalt gegen Kinder basiert auf Machtmissbrauch und auf der Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses zum betroffenen Kind. Im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität, Sekten und Kulten spricht man hierbei auch von „ritueller Gewalt“.
Viele Betroffene leiden jahrelang unter schweren Schuld- und Schamgefühlen, weil sie glauben, sich nicht ausreichend gewehrt oder die Übergriffe sogar selbst provoziert zu haben. Die Verantwortung für gewalttätiges und übergriffiges Verhalten liegt jedoch ausschließlich bei den Täter*innen, die ein Vertrauens- oder auch Abhängigkeitsverhältnis ausnutzen.
Für Betroffene von sexualisierter Gewalt, Angehörige und Fachkräfte stehen in M-V die Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt zur Verfügung. Telefonische Beratung bietet auch das „Hilfetelefon sexueller Missbrauch“ unter: 0800 - 22 55 530 und das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ unter: 08000 – 116 016 (beide kostenfrei und anonym).
Fakten vs. Mythen
Mythos des „unbekannten Fremdtäters“
Zwei Drittel aller Vergewaltigungen ereignen sich, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, zu Hause, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz. Sexualisierte Gewalt findet oft in Abhängigkeitsverhältnissen statt. Daher gehören Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderung zu den besonders gefährdeten Personengruppen.
*Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben: Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Auch sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet vor allem im nahen sozialen Umfeld statt. Dazu gehören der Freundes- und Bekanntenkreis der Familie, die Nachbarschaft, die Verwandtschaft oder die Familie selbst. Nur wenige Täter*innen sind den betroffenen Kindern oder Jugendlichen wirklich fremd.
*Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
„Die Täter*innen sind alle psychisch gestört.“
Bei den wenigsten Sexualstraftäter*innen wird im Zusammenhang mit der Tat eine psychische Erkrankung festgestellt. Die meisten planen ihre Handlungen gezielt und sind sich darüber bewusst, was sie tun.
*Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben: Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Auch bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder wird bei weniger als 5% der Täter*innen im Zuge von Gerichtsverfahren eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Die restlichen Täter*innen sind „normale Menschen“, die gezielt und geplant vorgehen.*
*bff: Sexueller Missbrauch - Mythen
„Hätte sie sich anders angezogen, wäre das nicht passiert.“
Betroffenen Frauen wird häufig eine Mitschuld für die Gewalt, die ihnen widerfahren ist, gegeben. Beispielsweise wird behauptet, dass: Frauen durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten die Gewalt mitverursacht oder diese sogar gewollt hätten, nur bestimmte Frauen sexualisierte Gewalt erfahren und viele Frauen falsche Beschuldigungen erheben.
Die Verantwortung für sexualisierte Gewalt tragen jedoch immer die Täter*innen. Kein Verhalten von Betroffenen rechtfertigt Gewalt oder hätte diese verhindern können. Dasselbe gilt bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
*bff: Sexualisierte Gewalt – Mythen
Material für Betroffene/Interessierte
bff - Frauen gegen Gewalt e.V.
Unwissen macht Angst –Wissen macht stark! Wüssten Sie davon, wenn ein Kind sexuell missbraucht wird?
Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V. (DGfPI) 2019
Digitale Welten - Digitale Medien - Digitale Gewalt
Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt / bff, überarb. Neuaufl. 2017